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28. Januar 2011

Die Rathauslinde und das vierblättrige Kleeblatt


Auf dem Marktplatz in Neubrandenburg, unweit  des Rathauses, stand in alten Zeiten eine herrliche Linde, die noch aus den Jahren der Stadtgründung stammte. Sie hatte vier mächtige Äste – weit ausgebreitet beschatteten sie fast den ganzen Platz. Der Baum übertraf in seiner Höhe bei weitem den Rathausturm mit der Hahnenwetterfahne. Seine Krone war ein Eldorado der Wildtauben geworden.
Eine Tages kam durch das neue Tor ein absonderlich gekleideter fahrender Schüler, der die Aufmerksamkeit vieler Bürger erregte. Er trug schwarze Schuhe mit silbernen Schnallen. Rote Strümpfe, hellgelbe hirschlederne Beinkleider, ein rotes Mäntelchen mit schwarzen Fransen und ein schwarzes Barrett mit buntschillernder Hahnenfeder. An der Seite hing ein spitzer Degen und ein Täschchen mit einem Riemen über die Schulter zu tragen, während er unter dem Arm eine zierliche Klampfe verborgen hielt. Sein Gesicht war schmal und sehr gebräunt, ein kurzer schwarzer Schnurrbart über dem frivolen Mund und funkelnde schwarze Augen spähten listig umher. Offenbar kam er aus südlichen Landen.
Die Sage berichtet: „Es stand auf seiner Stirn geschrieben, dass er nicht könne eine Seele lieben.“
War es Till Eulenspiegel? – vom Äußerlichen ja, doch der Spruch auf der Stirn  sagte deutlich, nein – aber vielleicht hatte sein hinkender magerer Fuß eine Verwandtschaft mit dem Teufel?
So stolzierte er gemächlich auf den Marktplatz zu. Dort angekommen, stieg er auf einen der schon leergeräumten Tische der Schlachterscharren, nahm seine Klampfe und begann ein Tanderadei aufzuspielen, das nach kleiner Kurzweil viele neugierige Bürger anlockte. Er hielt den staunenden Gaffern wunderliche Reden. Er könne mehr als andere und gar als die Neubrandenburger. Er würde ihnen jetzt vorführen, dass er in das geschlossene Innere  des Baumes klettern und bis zur höchsten Höhe der Zweige steigen könne. Und mit affenartiger Geschwindigkeit war er verschwunden im Dickicht der vielen belaubten Äste. Die höchsten Zweige begannen durch das Hin und Her seiner Kletterkünste zu rauschen – es war recht unheimlich geworden.

„Da kam die Straß´ von ungefähr ein Mädchen mit dem Krautsack her.
Das hat gefunden bei dem Pflücken ein Kleeblatt mit vier Blätterstücken.“

Das Mädchen mit dem Glücksblatt in der Hand trat unter die Menge und erkannte sofort das Gauklerspiel und den Betrug des fahrenden Schülers.
(C) Elke Riedel
„Was steht ihr hier und gafft das an, was der tut, das kann jedermann.
Er kriecht da oben nur herum, ihr lieben Leut´, was seid ihr dumm!“

Als der fahrende Schüler das vernommen, packte ihn die Wut, dass dies Mädchen seine Schliche erkannt hatte. Er hatte doch das Volk auf seiner Seite gehabt, sie glaubten bereits, dass er durch das Innere des Baumes geklettert sei, obwohl sie wussten, dass der Baum innen keineswegs hohl war.

Hier half nur eins, um den Sieg auf seiner Seit zu behalten: das Mädchen musste verhext werden. Und so geschah es dann auch. Von Stund an war das Mädchen krumm und lahm, ein gesundes Gehen war ihr nicht mehr beschieden. Viele Ärzte versuchten der Armen zu helfen. Aber was sie auch ersannen, nichts half ihr wieder auf die Beine. Erst als der Tod sie von ihrem Leid erlöste, wurde sie wieder gerade und ihr Antlitz verklärte sich, wie damals, als sie unter der Linde mit ihrem Krautsack stand und das kleine vierblättrige Kleeblatt in den Händen hielt.
Der fahrende Schüler war der leibhaftige Teufel, das war nun allen klar, die diese Geschichte miterlabt hatten.

Aus: Annalise Wagner: Die Teufelsmühle : und andere Sagen von Drachentötern, Räubern und Wiedergängern / Annalise Wagner. Ill. von Werner Schinko. - 1. Aufl. - Neustrelitz : Karbe-Wagner-Archiv, 1973. - 79 S. : Abb.  - (Schriftenreihe des Karbe-Wagner-Archivs ; Heft 13)

27. Januar 2011

Ein Projekttag zu Sagen

Schüler der 6. Klasse des Albert-Einstein-Gymnasiums nutzten für ihren Projekttag die Medien in der Regionalbibliothek Neubrandenburg. Die Lehrerin, Frau Eberhardt, stellte den Schülern die Aufgabe, sich mit Odysseus zu beschäftigen.
Die Bibliothek sollte der richtige Ort für diesen Projekttag sein. Um 8 Uhr begann der Unterricht mit einer Schulung an den Katalogen der Bibliothek. Die Schüler lernten Recherchemethoden am OPAC kennen.  Auf einem Arbeitsblatt hielten die Schüler relevante Titel zum Thema fest. Schlagworte waren: Sagen, Definitionen, Heldensagen, Griechenland, Götter, Mythen, Legenden. Aufgabe war es, Sachbücher und Erzählungen zu finden, die für Vorträge im Unterricht genutzt werden können.
Nach einer kleinen Frühstückspause gab es für die Schüler einen Einstieg in das Thema Sagen. Anhand der Sagen „Die Heimkehr des armen Wollwebers“ und „Der leichtfertige Nagelschmied“  untersuchten die Schüler die Fakten zu den Sagen: Ortssage, Heldensage, Volkssage, außergewöhnliches Ereignis, wahrer Kern, Zeitangabe, u .s. w.
Die Schüler lernten in einem kurzen Überblick Personen kennen, die sich in ihrem Leben und literarischen Schaffen mit Sagen beschäftigt haben. Wichtig hierbei war es, einen  regionalen Bezug herzustellen. Die Gebrüder Grimm sind den Schülern bekannt; Annalise Wagner und Sagen aus Neubrandenburg lernten sie heute kennen.
Besonders die Sage vom Nagelschmied war für die Jungen der Klasse ein „spannender Krimi“. Wir haben lange über das Wenn und Aber und die „Großmäuligkeit“ des Nagelschmieds diskutiert. Es hat allen Spaß gemacht, sich mit regionalen Geschichten zu beschäftigen.
Und diese  Zeichnungen sind nur ein Ergebnis. Über Odysseus müssen die Schüler dann im Unterricht Bericht erstatten.  Dafür bekommen sie aber bestimmt sehr gute Noten, denn alle waren mit Eifer bei der Erkundung in der Bibliothek dabei.

Weitere Zeichnungen findet ihr in der Diaschau.

25. Januar 2011

Der Nagelschmied aus der Badstüberstraße

Annalise Wagner : Der leichtfertige Nagelschmied
Aus: Sursum Corda - Konzertkirche St. Marien  Neubrandenburg / hrsg. von Urte Weindich. - 1. Aufl. - VanDerner , 2005. - 256 S. : Abb; S.: 63 
Andreas Gottlieb Wüsten war stadtbekannter Nagelschmied, der seinen Familiennamen wohl zu Recht bekommen hatte. Er führte ein leichtfertiges Leben und sein Brotberuf, bei dem ihm seine junge rotblonde Berta half, brachte ihm nicht viel ein -  jedoch so viel, dass er dem Krugwirt täglich noch etwas davon  zukommen lassen konnte. Kinder hatte er nicht, obgleich sein Eheweib hitziger Natur war – jedoch war er deswegen nicht gerade unglücklich und fühlte sich nicht vom Schicksal benachteiligt, jedenfalls ließ er sich dergleichen nie anmerken. Denn hätte er Kinder gehabt, könnte er nicht Stammgast beim Krugwirt sein – noch dazu mit der Berta, die solchermaßen gern an den Abenden ihren Schmied begleitete.Großmäuligkeit brachten die geistigen Getränke so mit sich und die war ihm sowieso schon mit in die Wiege gelegt. Er nahm den Kampf mit Gott und dem Teufel unbeirrt auf und rühmte sich eines Tages um die Geisterstunde bei mondheller Nacht  im November in einen der großen Särge  in der St. Marienkirche, die in einem westlich gelegenen verschlossenen Vorraum der Kirche standen (später in der Turmkammer, es sind etwa 60 Särge gewesen mit einbalsamierten Leichnamen), einen selbst geschmiedeten Nagel einzuschlagen. So ein Nagelschmied ist auch mit Schlosserarbeiten vertraut, und verschlossene Türen zu öffnen, war für unseren Andreas Gottlieb Wüsten keine Schwierigkeit.Als er sich nun dieser immerhin absonderlichen Tat zur Geisterstunde vor seinen Trinkbrüdern rühmte und sich auch gehörig Mut zu dessen Ausführung angetrunken hatte, waren Angst und Grauen vor seiner eigenen Vorwitzigkeit verschwunden.
 
„Des Turmes Fahne jagt der Wind. Schnell geht der Wolkenzug, des Mondes Sichel wankt, und durch die Nacht zuckt ungewisse Helle!“
Als Wüsten die Tür öffnet, ertönen zwölf Schläge zur Mitternachtsstunde vom Glockenturm herunter. Unheimlich Schatten werfen die alten Linden durch die mondhelle  Nacht in die hohen Kirchenfenster. Die Schleiereulen rufen herunter – mahnen Wüsten zur Umkehr. Wüsten erschauert und steht wie gebannt im Kirschenschiff, Angstschweiß perlt ihm von der Stirn – aber er besitzt Ehrgeiz in diesem Kampf zwischen Gut und Böse; nur schnell ans Werk – kein Geist hat ihn bisher gehindert. Er holt Nagel und Hammer aus der Tasche, ist bereit an einem alten silberbeschlagenen Sarg den Nagel einzuschlagen – jedoch wie gebannt muss er innehalten. Es ist ihm, als halte jemand seine Hand fest und als habe sich der Sargdeckel geöffnet. Ein jäher gewaltiger Aufschrei durchhallt die große Kirche  und Wüsten bricht am Sarg in die Knie. Der Nagelschmied Wüsten aus der Badstüberstraße war tot zusammengebrochen. Der große Nagel, den er selbst geschmiedet hatte, wurde so zum Nagel seines eigenen Sarges.



(C Museum Stolberg)

Wer mal einen Blick in eine Nagelschmiede werfen will, kann das unter folgendem Link: Museum Stolberg, aber geschmiedete Nägel kann man sicher auch in den Museen unserer Region entdecken; zum Beispiel in der Burg Stargard.
 

21. Januar 2011

Positionslichter


(C) Elke Riedel
(C) Elke Riedel










Im Archiv der Regionalbibliothek habe ich ein Büchlein entdeckt, das  wundervolle Texte von Ingo Barz mit Fotografien von Wolfgang Korall verbindet. Diese Kombination passt sehr gut zu unseren Heimatsagen. Der Text ist dem Büchlein entnommen, die Fotos auf dieser Seite sind allerdings von Elke Riedel.



SAGENZEIT
Weißmähnig fauchend
stemmt sich die Flut
gegen die Düne

Schaurig klagen
die Bäume oben
am alten Deich

Der Sturm grölt wie
ein besoffener Schiffer
überm Rohrdach

Weit draußen irgendwo
zwischen Vineta und Atlantis
ruft leise eine Glocke

(Positionslichter: Ingo Barz - Gedichte: Mit Fotografien von Wolfgang Korall; 1. Aufl.; 1989, Ev. Verlagsanstalt Berlin)

Wer löst das Rätsel um den Eberknauf?

Annalise Wagner hat ja bekanntlich viele mecklenburgische Heimatsagen aufgeschrieben. Eine ist die Sage vom wilden Eber. Hier gibt es ein Rätsel um eine Inschrift zu lösen. Viel Vergnügen beim Lesen und Erkunden.
Aus: Annalise Wagner: Die Teufelsmühle : und andere Sagen von Drachentötern, Räubern und Wiedergängern / Annalise Wagner. Ill. von Werner Schinko. - 1. Aufl. - Neustrelitz : Karbe-Wagner-Archiv, 1973. - 79 S. : Abb.  - (Schriftenreihe des Karbe-Wagner-Archivs ; Heft 13)


Der wilde Eber

Gläubige Mohammedaner sagen, dass ihr großer Prophet mit seiner Macht die gesamte Tierwelt bändigen könne, ausgenommen das wilde Schwein.
Dass ein Neubrandenburger Priester im 13. Jahrhundert fertig brachte, was dem arabischen Propheten nicht möglich war, überlieferte folgende Sage:

Jede Stadt war in alter Zeit mit großer Feldmark, Wald und  Seen dotiert, so auch die Stadt Neubrandenburg. Regelmäßig im Frühjahr und Herbst, wenn auf den Feldern und in den großen Gärten der Bürger Neubrandenburgs schon Feldfrüchte ihrer Reife entgegen sahen, stellte sich der wilde Eber , der ein wahres Ungetüm war, ein, um Fressraubzüge und Verwüstungen in der Stadtfeldmark vorzunehmen. Alle Versuche, diesem Wüstling Herr zu werden, waren vergeblich.
Schließlich einigte man sich und eine ganze Anzahl Bürger mit einer Horde Hetzhunden entschloss sich, einen Generalangriff gegen den Keiler zu unternehmen. Vor den heulenden Hunden floh der Keiler, den einige Bürger ausgemacht hatten, allen voran der tüchtige Stadtjäger.

Der Keiler rannte in seiner Angst durch das  Stargarder Tor (damals Wanzkaer Tor, noch eine Holzkonstruktion) und links gleich auf den Marienkirchplatz, herum um die Kirche und schließlich durch eine offenstehende Kirchentür. Der Keiler war mit gräulichem Grunzen und Zähnefletschen in das Kircheninnere gestürzt. Hier hatte gerade der Gottesdienst begonnen. Der Keiler blickte nach allen Seiten und dann geradeaus auf den Altar, wo  ein feierliches Hochamt zelebriert wurde. Die Orgel setzte mit mächtigem Gebrause ein und der Keiler blieb stehen. Der Priester erstarrte  beim Anblick des wütenden Tieres und schritt vom Altar herunter. In den Händen das Kruzifix, dem Untier entgegen. Siehe da, die Wut des Keilers legte sich. Der wilde Eber senkte den Kopf wie ein zahmes Tier und ließ sich vom Priester hinausführen. Zur Erinnerung an diese Begebenheit hat ein Kunsthandwerker einen Eberkopf als Türklopfer gestaltet und an der Eingangspforte anbringen lassen. Eine eigenartige Textunterschrift gibt uns Rätsel auf:

Foto:  Museum NB

ich heite hermann ramt 
ich byn tam
zam eyn lam
amen
Der bewegliche Ring im Maul des Eberkopfes beweist uns, dass es sich um einen Tütklopfer handelt. Ob er tatsächlich im Andenken an die Sage vom wütenden Eber an der Kirchentür angebracht wurde – ob er von einem Patrizierhaus aus der Stadt stammt – ob herman ramt der Name des Künstlers ist, das wollen wir offen lassen.
Es wird viel darum herum gerätselt. So fabuliert der Volksmund, dass ein wandernder Kleinschmied oder Schlosser mit Namen Ebert kam und dort feststellte, dass der Eber dort den Namen ramt  hat. Nun hat der Geselle Ebert sich einen Spaß gemacht und die Umschrift seines Eberkopfes in dieser Art gestaltet und gewissermaßen sein Signum draufgesetzt. Als er in die Heimat zurückkehrte und von der Sage hörte, hat er den Kopf als Türklopfer an der Kirchentür angebracht.
[Foto: Sagenhaftes: ein etwas anderes Neubrandenburger Sagenbuch aufgeschrieben vom Bürgermeister Wilhelm Ahlers für seine Tochter Frieda / dokumentiert und kommentiert von Peter Maubach. - Neubrandenburg : Regionalmuseum Neubrandenburg, 2004. - 96 S. - (Schriftenreihe des Regionalmuseums Neubrandenburg ; Heft 36)]

11. Januar 2011

Sagen rund um den Tollensesee

Weitere Fotos und Texte zu den Sagen gibt es in der Bildershow zu sehen. Viel Spaß beim Lesen und Betrachten der tollen Zeichnungen.

Jahrmarktsende

(aufgeschrieben von Annalise Wagner,
ersch. In: Anekdoten und Geschichten: : aus dem ehemaligen Land Mecklenburg-Strelitz - 2. Aufl. - Neustrelitz : Rat der Stadt, 1973. - 80 S. : Ill.  - (Schriftenreihe des Karbe-Wagner-Archivs ; 11)

Der Jahrmarkt im Herbst war wieder mal das Ereignis für Stadt und Land. Im Erntewagen kamen die Landbewohner zur Stadt und kauften tüchtig ein. Hatten sich da doch Vater und Sohn X aus Neubrandenburg etwas ausgedacht, was auch prompt zum Erfolg führte.

Vater X hatte eine  lange Zeitungsrolle gemacht und vorne und hinten in die Rolle den Kopf und Schwanz eines Aals fein säuberlich herausgucken lassen.
Als nun wieder ein Leiterwagen mit Dorfleuten aus der Stadt fuhr, hatte der Sohn X mitten auf den Damm die lange Aalrolle  gelegt. Die Bäuerin, die vorne beim Kutscher saß, hatte schon, als sie in die Nähe der Rolle kamen, Kopf und Schwanz des Aals ins Visier genommen: „´n Aal, ´n Aal!“ schrie sie und stieß den Kutscher in die Seite, „hol an, `n dicken Spickaal!“

Der Kutscher hält und steigt ab, um die lange Zeitungsrolle zu holen. Kopf und Schwanz fallen zur Seite, das gute Mittelstück war im Fürstenhof oder Ratskeller schon verzehrt. Von wem? Das mögen die Götter wissen.

6. Januar 2011

Marie Hager

Marie-Hager-Kunstkalender 2011/(C)Amazon

Marie Hager wurde am 20. März 1872 in Penzlin geboren. In ihrem Elternhaus herrschte ein musisches Klima. Beide Eltern sangen gerne; die Mutter spielte Cello, Geige und Klavier. Der Vater gründete in Penzlin einen Posaunenchor. In dieser Umgebung wuchs Marie Hager auf. Marie Hager hatte eine gute musikalische Stimme und sang zu vielen Anlässen in ihrer Heimatstadt und in Schwerin. Ihre musikalische Ausbildung zur Sängerin begann in Hamburg und endete erfolglos in Berlin.
Sie zog nach Dargun, wo der Vater als Pfarrer arbeitetete. Hier pflegte Marie Hager die kranke Mutter. Nach deren Tod, im Jahre 1903, wandte sich Marie Hager der Malerei zu. Sie wurde Schülerin von Eugen Bracht, der die Umgebung von Burg Stargard für seine Malerei entdeckte. Marie Hager war zeitlebens mir dem Schweriner Maler Karl Hennemann (1884-1972) bekannt. Dieser hatte ebenfalls die Landschaft um Burg Stargard und Feldberg für seine Malerei entdeckt. Es bildete sich ein Burg Stargarder Künstlerkreis.
Marie Hager ließ sich 1921 nach eigenen Vorstellungen ihr Haus in Burg Stargard bauen. Hier lebte und arbeitete sie bis zu ihrem Tod am 24.April1947. 
Eine umfangreiche Werkübersicht enthält das Buch: Marie Hager: eine Werkübersicht - Malerei ; Katalog anläßlich der Ausstellung Marie Hager - Malerei , vom 26. Januar bis 31. März 1997 im Staatlichen Museum Schwerin. 
Dieses Buch zum Leben und Werk der Marie Hager fußt auf gründliche Recherchen des Hamburger Rechtsanwaltes Manfred Peters (1935-1994), der zufällig das Bild "Schlossecke Dargun" erwarb und somit sein Interesse an Marie Hager geboren war.
Werke von Marie Hager befinden sich in den Museen: Neubrandenburg, Neustrelitz, Schwerin, Ratzeburg, Rostock, sowie in Privatbesitz.
Ein Besuch der Museen lohnt sich schon wegen der Werke der Malerin Marie Hager.

Bewerbungen und Vorschläge für den 20. Annalise-Wagner-Preis

Die Annalise-Wagner-Stiftung bittet um Bewerbungen und Vorschläge für den 20. Annalise-Wagner-Preis

Die Annalise-Wagner-Stiftung aus Neubrandenburg schreibt zum 20. Mal den mit 2.500 Euro dotierten Annalise-Wagner-Preis aus. Bis zum 15. März 2011 freut sie sich auf Bewerbungen und Vorschläge für diesen regionalen Literaturpreis, der Texte aus der oder über die Region Mecklenburg-Strelitz im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern auszeichnet.

Der Annalise-Wagner-Preis 2011 wird vergeben an einen wissenschaftlichen, populärwissenschaftlichen oder belletristischen Text aller Gattungen und Genres, der inhaltlich auf die Region „Mecklenburg-Strelitz“ bzw. auf das Gebiet des historischen „Stargarder Landes“ Bezug nimmt oder der von Autoren verfasst wurde, welche in dieser Region leben. Der Text soll bereits publiziert sein (aber nicht älter als drei Jahre) oder als druckreifes Manuskript vorliegen.

Willkommen sind sowohl Eigenbewerbungen von Autorinnen und Autoren, als auch Vorschläge von Leserinnen und Lesern! Sie müssen der Annalise-Wagner-Stiftung zusammen mit einem Exemplar des Textes schriftlich bis zum 15. März vorliegen. Nach der Juryarbeit werden alle Manuskripte und Publikationen zurückgegeben. Die jährlich neu zusammengesetzte Jury wählt bis Juni 2011 die diesjährige Preisträgerarbeit aus und kann - zusätzlich zum Annalise-Wagner-Preis - eine mit 200 Euro dotierte „Lobende Anerkennung“ an junge Autoren (bis 27 Jahre) vergeben.

Mit der Preisvergabe und der öffentlichen Ehrung der Preisträger erfüllt die Stiftung ein Vermächtnis der verdienstvollen Neustrelitzer Heimatforscherin und Autorin Annalise Wagner (1903 – 1986). Der von Annalise Wagner testamentarisch gestiftete Literaturpreis setzt in diesem Jahr bereits zum 20. Mal ein Zeichen für den Wert von Texten für das Gedächtnis einer Region, für Literatur aus und über den Südosten Mecklenburg-Vorpommerns.

Der Wortlaut der Ausschreibung des Annalise-Wagner-Preises 2011 ist veröffentlicht auf der Stiftungshomepage http://www.annalise-wagner-stiftung.de/. Gern schickt die Geschäftsstelle der Annalise-Wagner-Stiftung die Ausschreibung zu und steht für Auskünfte rund um die Stiftungsarbeit zur Verfügung.

Kontakt:
Annalise-Wagner-Stiftung c/o Regionalbibliothek Neubrandenburg, Stargarder Straße 8, 17033 Neubrandenburg, E-Mail: stiftung.bibl@neubrandenburg.de, Telefon: 0395 / 5551333, 0395 / 5551324

4. Januar 2011

Die drei Parvenüs

[aufgeschrieben von Annalise Wagner,
ersch. In: Anekdoten und Geschichten: : aus dem ehemaligen Land Mecklenburg-Strelitz - 2. Aufl. - Neustrelitz : Rat der Stadt, 1973. - 80 S. : Ill.  - (Schriftenreihe des Karbe-Wagner-Archivs ; 11)]

In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts verließen zwei Neubrandenburger Schüler, Fridolin und Wendland, das Gymnasium, um sich dem Studium der Rechtswissenschaften zu widmen. Der eine war ein geborenen Neubrandenburger, ein frischer fröhlicher Mensch,  den Wissenschaften und ernstem Studium nicht besonders hold, den Freuden des Lebens, vor allem den leiblichen Genüssen, fast mehr als bekömmlich zugetan; der andere ein ernster, begabter Mensch, aber ein ehrgeiziger Streber.
Dieses edle Freundespaar bezog die bayerische Universität München. Der Zufall wollte es, dass sie die Bekanntschaft des späteren Königs Ludwig I,. machten, der damals die Freuden des Studentenlebens nach echt Münchener Art in vollen Zügen genoss. Der junge, etwas überschwänglich veranlagte Fürstensohn, der das Besondere liebte, fand Gefallen an diesen derben Kindern des nordischen Landes, und bald schlossen diese drei einen engen Freundschaftsbund.  Doch die Studienzeit ging zu Ende, und ein wehmütiges Abschiedsfest beschloss die schönen Tage Münchener Lebens. Es entsprach ganz dem großmütig veranlagten Charakter des bayrischen Kronprinzen, dass er seine jungen Freunde aufforderte, ihm einen Wunsch vorzutragen, den er ihnen auf alle Fälle zu erfüllen versprach. In fröhlicher, übermütiger Laune erbat sich Fridolin ein großes fass Münchener Bier. Kaum war er zu Hause eingetroffen, als auch dieses, vom Kronprinzen unverzüglich gespendet, anlangte. In fröhlicher Gesellschaft wurde es ausgetrunken. Es mutet uns wie ein Märchen an, in dem ein bevorzugter das Anerbieten eines gütigen Geistes nicht zu würdigen und schließlich leer ausgeht. Fridolin hat es niemals verstanden, die Situation zu erfassen. Trotzdem er ein tüchtiger Rechtsanwalt war, ist er in Armut gestorben.
Ganz anders sein Freund Wendland. Vielleicht, dass er die Frage des fürstlichen Gönners vorausgesehen hatte, er wusste sie zu seinem dauernden Vorteil zu verwenden und bat; „Gib den Adel und deine weiter Protektion.“ Vielleicht mochte diese Forderung Ludwig überraschen, aber er hielt sein Wort. Wendland wurde geadelt und vom Kronprinzen in die diplomatische Laufbahn bugsiert. Da er ein fähiger Kopf war, und ein gewiegter Diplomat wurde, so machte er bald Karriere. Er wurde zunächst bayerischer gesandter in Griechenland, später in Paris zu der zeit, als der Stern Napoleon der III. aufgegangen war, als dieser Emporkömmling auf dem Fürstenthron die erste Rolle in Europa zu spielen begann. Bald war von Wendland eine angesehene Person an seinem Hofe.

Gelegentlich einer Urlaubsreise besuchte Wendland auch Neubrandenburg und seine alten Jugendfreunde. Unter diesen war auch der Pferdehändler Lichtwald, eine weit und breit durch seine Tüchtigkeit im Beruf und seinen schlagfertigen Witz – der ja gewiegten Händlern eigen ist – bekannte Persönlichkeit. Lichtwald hatte klein angefangen und war wohlhabend geworden. (Auf dem heutigen [1973, Anm. d. Red.]Krankenhausgrundstück betrieb er sein umfangreiches Geschäft, von ihm erwarb es die Stadt für 5000 Thaler, einen für damalige Zeiten sehr anständigen Preis.) Selbstverständlich besaß er auch einen gewissen Ehrgeiz, und es kann uns nicht Wunder nehmen, dass er auf den Vorschlag Wendlands, doch einmal in Paris bei passender Gelegenheit eine Zahl von besonders schönen Pferden zum Verkauf zu stellen, mit Freunden einging. Wendland sagte ihm seine Fürsprache in jeder Weise zu. Gesagt, getan. Eine passende Gelegenheit fand sich bald. (Es soll die Weltausstellung gewesen sein, das lässt sich aber m. E. mit den Zeitverhältnissen nicht in Einklang bringen.) Lichtwald führte einen Transport auserlesenen Pferdematerials nach Paris und erregt damit allgemeine Bewunderung. Wendland versteht es, einflussreiche Kreise dafür zu interessieren, Lichtwald macht ein gutes Geschäft, und als Krönung seines Freundschaftswerkes verschaffte ihm Wendland eine Einladung zu einem jener glänzenden Festlichkeiten, in deren Inszenierung Napoleon Meister war. Mitten im festlichen Trubel erscheint Wendland an seiner Seite und flüstert ihm ins Ohr. “Mügst du wohl eis mit Napoleon spreken?“
„Ja, Minsch, äwer ick kann man nich französisch.“
„Schadt nicks, ick kann ja ok nich dütsch, red du man plattdütsch, un hei redt französich, un ick war doför sorgen, dat ji juch beiden verstaht.“
Wendlandt schleppt ihn zum Kaiser, spielt in der Unterhaltung den Dolmetscher, und so verläuft alles zu vollster gegenseitiger Zufriedenheit.

Lichtwald kehrt nach Neubrandenburg zurück und ist für die ganze Stadt der Held des Tages, besonders aber in der Tafelrunde, die sich im Fürstenhof um ihn schart. Es gibt ein Bild aus Altneubrandenburger Zeit, geschaffen vom Porträtmaler  Krause, demselben der das Spottgedicht und die zeichnerische Karikatur auf den unglücklichen Revolutionshelden  von 48, den Redakteur Stolzenburg, verfasst hat. Dies Bild, erschien im Verlag des damaligen Besitzers der Neubrandenburger Zeitung, des Buchhändlers Lingnau, trägt die Unterschrift „Eine fröhliche Gesellschaft“. Es zeigt 10 Personen, beim Glücksspiel beschäftigt, alles bekannte Neubrandenburger und einen Neustrelitzer. Die Bank hält Lichtwald, mit jovialer Miene die Karten austeilend. Der Herr links neben ihm – von Besucher aus gesehen – durch Kleidung, Barttracht, durch Haltung der ringgeschmückten Finger sich als eitel dokumentierend, lebt in der Erinnerung alter Neubrandenburger als „Schiffer Gerlach“  fort. Dieser Gerlach nun soll es gewesen sein, der Lichtwald unentwegt nach seinen Pariser Erlebnissen ausgefragt hat – wie gern wäre er selbst an seiner Stelle gewesen.

Zuletzt nachdem er alles erfahren hat, stellt er an ihn die Frage; „Segg mal, Lichtwald, woans würr di eigentlich, as du mit Napoleon un Wendlandten tosamen stünnst un di mit Napoleon wat vertellen deist?“
„Ja, Schiffer“, antwor´t Lichtwqald und leggt ruhig de Korten fort, „dat wir mi genau so, as wenn ick mit di red, denn kik mal, Napoleon, Wendland und ick, wi sünd doch all drei … Parvenüs.“ (Karl Wendt, red. V. AW.)

Von Geschichte(n) lernen


Was von diesen Texten kann ein Lebensmotto sein? Alberto Manguel sagte:
"Lesen ist manchmal das Herstellen von Querverbindungen, ein Zusammentragen von Anthologien"
Jeder entscheide selbst.
Geschichte ist wie Geschichten lesen. Es gibt immer wieder etwas Spannendes darin zu entdecken. Thomas von Aquin hatte Sorge, ungebildeten Menschen zu begegnen.
"Gott bewahre mich vor jemand, der nur ein Büchlein gelesen hat."
Annalise Wagner formulierte ihre Gedanken zum Thema Achtsamkeit mit sich selbst in dem Gedicht:

Eingang
Wir graben uns selbst das Lebensbett.
Einer liegt hart und einer liegt weich,
einer liegt bloß und einer bedeckt,
einer schläft den Schlafe der Gerechten,
der andere wacht und lässt sich entrechten.