Aus: Annalise Wagner: Die Teufelsmühle : und andere Sagen von Drachentötern, Räubern und Wiedergängern / Annalise Wagner. Ill. von Werner Schinko. - 1. Aufl. - Neustrelitz : Karbe-Wagner-Archiv, 1973. - 79 S. : Abb. - (Schriftenreihe des Karbe-Wagner-Archivs ; Heft 13)
[Foto: Sagenhaftes: ein etwas anderes Neubrandenburger Sagenbuch aufgeschrieben vom Bürgermeister Wilhelm Ahlers für seine Tochter Frieda / dokumentiert und kommentiert von Peter Maubach. - Neubrandenburg : Regionalmuseum Neubrandenburg, 2004. - 96 S. - (Schriftenreihe des Regionalmuseums Neubrandenburg ; Heft 36)]Der wilde Eber
Gläubige Mohammedaner sagen, dass ihr großer Prophet mit seiner Macht die gesamte Tierwelt bändigen könne, ausgenommen das wilde Schwein.Dass ein Neubrandenburger Priester im 13. Jahrhundert fertig brachte, was dem arabischen Propheten nicht möglich war, überlieferte folgende Sage:
Jede Stadt war in alter Zeit mit großer Feldmark, Wald und Seen dotiert, so auch die Stadt Neubrandenburg. Regelmäßig im Frühjahr und Herbst, wenn auf den Feldern und in den großen Gärten der Bürger Neubrandenburgs schon Feldfrüchte ihrer Reife entgegen sahen, stellte sich der wilde Eber , der ein wahres Ungetüm war, ein, um Fressraubzüge und Verwüstungen in der Stadtfeldmark vorzunehmen. Alle Versuche, diesem Wüstling Herr zu werden, waren vergeblich.Schließlich einigte man sich und eine ganze Anzahl Bürger mit einer Horde Hetzhunden entschloss sich, einen Generalangriff gegen den Keiler zu unternehmen. Vor den heulenden Hunden floh der Keiler, den einige Bürger ausgemacht hatten, allen voran der tüchtige Stadtjäger.
Der Keiler rannte in seiner Angst durch das Stargarder Tor (damals Wanzkaer Tor, noch eine Holzkonstruktion) und links gleich auf den Marienkirchplatz, herum um die Kirche und schließlich durch eine offenstehende Kirchentür. Der Keiler war mit gräulichem Grunzen und Zähnefletschen in das Kircheninnere gestürzt. Hier hatte gerade der Gottesdienst begonnen. Der Keiler blickte nach allen Seiten und dann geradeaus auf den Altar, wo ein feierliches Hochamt zelebriert wurde. Die Orgel setzte mit mächtigem Gebrause ein und der Keiler blieb stehen. Der Priester erstarrte beim Anblick des wütenden Tieres und schritt vom Altar herunter. In den Händen das Kruzifix, dem Untier entgegen. Siehe da, die Wut des Keilers legte sich. Der wilde Eber senkte den Kopf wie ein zahmes Tier und ließ sich vom Priester hinausführen. Zur Erinnerung an diese Begebenheit hat ein Kunsthandwerker einen Eberkopf als Türklopfer gestaltet und an der Eingangspforte anbringen lassen. Eine eigenartige Textunterschrift gibt uns Rätsel auf:ich byn tamzam eyn lamamenDer bewegliche Ring im Maul des Eberkopfes beweist uns, dass es sich um einen Tütklopfer handelt. Ob er tatsächlich im Andenken an die Sage vom wütenden Eber an der Kirchentür angebracht wurde – ob er von einem Patrizierhaus aus der Stadt stammt – ob herman ramt der Name des Künstlers ist, das wollen wir offen lassen.Es wird viel darum herum gerätselt. So fabuliert der Volksmund, dass ein wandernder Kleinschmied oder Schlosser mit Namen Ebert kam und dort feststellte, dass der Eber dort den Namen ramt hat. Nun hat der Geselle Ebert sich einen Spaß gemacht und die Umschrift seines Eberkopfes in dieser Art gestaltet und gewissermaßen sein Signum draufgesetzt. Als er in die Heimat zurückkehrte und von der Sage hörte, hat er den Kopf als Türklopfer an der Kirchentür angebracht.
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